Drei Röhrchen mit einer Doppelhelix

Genbanken von Bakterien infiziert

Nicht überall, wo "menschliche DNA" draufsteht, ist auch menschliche DNA drin: Forschern zufolge sind die Humangenom-Datenbanken durch Bakteriengene verunreinigt. Die Kontaminationen könnten weit verbreitet sein.

Humangenom 28.06.2011

Mensch statt Bakterium

Im Februar dieses Jahres durchforsteten US-Biologen DNA-Datenbanken von Bakterien, Pflanzen und Tieren und machten dabei eine unangenehme bis peinliche Entdeckung: Bis zu 20 Prozent der Gensequenzen gehören demnach gar nicht zu den untersuchten Spezies, sie sind vielmehr menschlichen Ursprungs (PLoS ONE 6, e16410).

Wie die Human-DNA in die Datenbanken gelangt ist, wurde im Rahmen der Studie nicht untersucht. Naheliegender Schluss ist aber: Sie wird wohl von jenen Genetikern stammen, die das Erbgut der Bakterien, Pflanzen und Tiere sequenziert haben.

Bakterium statt Mensch

Das Problem besteht auch in umgekehrter Hinsicht. Das "Buch des Lebens", wie das Humangenom mitunter bezeichnet wurde, scheint ebenfalls nicht frei von Kontaminationen zu sein. Einige Unterkapitel des drei Milliarden Basenpaare umfassenden Konvoluts dürften offenbar von Bakterien stammen, wie Bill Langdon und Matthew Arno vom University College London herausgefunden haben.

Die britischen Forscher hatten bereits letztes Jahr eine Gensequenz von Mykoplasmen im Humangenom entdeckt (BioTechniques, 47, 1013). "Humangenom" sollte man bis auf weiteres wohl unter Anführungszeichen schreiben, denn nun wurden die beiden ein zweites Mal fündig (arXiv, 1106.4192v1).

Dass Mykoplasmen DNA-Proben verunreinigen können, ist an sich keine große Überraschung. Mykoplasmen sind parasitär lebende Bakterien, die, weil zu klein, mit gängigen Filtermethoden nur sehr schwer aus Proben zu entfernen sind und daher immer wieder für Probleme in molekularbiologischen Labors sorgen.

Dass die Bakterien aber nun die "Silizium-Hürde", also die Schwelle zwischen Reagenzglas und Datenbank übersprungen haben, weist darauf hin, dass die Kontrollmechanismen im Forschungsfach Genomics nicht zureichend funktionieren. Das gilt, zumal Langdon und Arno nicht in einer entlegenen Ecke des menschlichen Erbguts fündig wurden, sondern auf einem kommerziellen Gen-Chip der Firma Affymetrix - caveat emptor, die forschenden Konsumenten sollten in Hinkunft wohl genauer hinsehen.

Software gesucht

Wie groß der Anteil nicht-humaner Sequenzen in humanen Genbanken ist, weiß niemand, weil bis dato nicht systematisch danach gesucht wurde.

Man könnte den Fund auch als ungewöhnliche Bestätigung des Konzepts vom "egoistischen Gen" lesen. Gene sind nach Ansicht des Briten Richard Dawkins DNA-Stücke, die nichts anderes im Sinn haben, als Kopien ihrer selbst herzustellen. Das funktioniert, in dem sie sich zu Chromosomen zusammenschließen, Pflanzen-, Tier- und Menschenkörper aufbauen, die ihrerseits wieder Gene verbreiten. Das funktioniert auch, indem sie fremde Zellen als Vehikel für die eigene Reproduktion missbrauchen, wie das etwa bei den Mykoplasmen der Fall ist.

Und das funktioniert sogar, drittens, in der virtuellen Welt: Die Bakterien-Gene setzen sich auch in binärer codierter Form auf Festplatten bzw. Servern von Genomforschern fest. Dort warten sie darauf, dass sie ein Molekularbiologe im Labor wieder in ihre materielle Existenzform zurückverwandelt. Um das zu verhindern, bräuchte es eine Art virtuelles Immunsystem, das Kontaminationen in Datenbanken erkennt und eliminiert.

Langdon und Arno befürchten, dass die "derzeit gängigen Werkzeuge nicht ausreichen". Es brauche spezielle Software, um das Problem in den Griff zu bekommen: Virenschutz war gestern, nun kommt der Bakterienschutz.

Robert Czepel, science.ORF.at

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